Seit 2006 ist in Deutschland das sogenannte Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (§ AGG) in Kraft. Nach dem § AGG ist Diskriminierung aufgrund der/s ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, Geschlechts, sexuellen Orientierung, Alters und Behinderung verboten. Es schützt vor Diskriminierungen im Arbeitsrecht und bei Massengeschäften beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen sowie privatrechtlichen Versicherungen.
Unterschiedliche Formen von Diskriminierung
Es gibt unterschiedliche Formen von Diskriminierung.
Zunächst kann eine Diskriminierung entweder direkt (unmittelbar) oder indirekt
(mittelbarerfolgen. Zum Beispiel können indirekte Diskriminierungen
durch scheinbar neutrale Regelungen erfolgen. Zu den weiteren Formen von
Diskriminierung zählen Belästigung, sexuelle Belästigung, Mobbing
und Anweisung zur Diskriminierung.
Eine Mehrfachdiskriminierung liegt dann vor, wenn eine
Person wegen mehrerer Diskriminierungsmerkmale benachteiligt wird. Dies
ist der Fall, wenn ein Muslim z.B. aufgrund seiner Religionszugehörigkeit
und ethnischen Herkunft diskriminiert wird.
Mittelbare und unmittelbare Diskriminierung
Eine Muslimin bewirbt sich auf eine Ausbildungsstelle in
einem Betrieb. Sie wird zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Der
Arbeitgeber ist von ihren Leistungen überzeugt und hält sie für die Stelle
geeignet. Ihr wird telefonisch mitgeteilt, dass sie in der engen Auswahl stehe und
man sie nur unter der Voraussetzung einstellen könne, wenn sie das
Kopftuch abnimmt.
Hierbei handelt es sich um eine direkte Diskriminierung, da
das Merkmal Religion explizit als Entscheidungskriterium genannt wird.
Hierbei ist wichtig, dass eine Ungleichbehandlung nur dann
vorliegt, wenn die Bewerberin in diesem Fall nicht nur die Voraussetzungen
für die Stelle erfüllt, sondern auch der Qualifizierteste unter den
Bewerbern ist, aberaufgrund der im § AGG genannten Gründe nicht eingestellt
wird.
In einem Fitnessstudio gibt es Kleidungsvorschriften, die
eine Kopfbedeckung im Fitnessstudio verbieten. Diese Regel gilt zwar für
alle Kunden unabhängig von der Konfession, jedoch sind de facto
lediglich Kopftuch tragende Frauen davon betroffen. Hierbei handelt es sich um
eine indirekte Diskriminierung.
Das Neutralitätsgesetz
Musliminnen, die ein Kopftuch tragen, sind mit
Diskriminierung sowohl auf der Arbeitssuche als auch auf dem Arbeitsplatz konfrontiert.
Um zu verstehen, in welchen Arbeitsbereichen das Tragen eines Kopftuches
erlaubt ist, sollte man sich das Neutralitätsgesetz genauer anschauen.
In den Bundesländern Berlin, Bayern, Baden-Württemberg,
Hessen, Saarland, Bremen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, ist das
sichtbare Tragen von religiösen Symbolen in bestimmten Bereichen des
Öffentlichen Dienstes aufgrund des Neutralitätsgesetzes verboten. Dies
betrifft insbesondere Richterinnen, Justizvollzugsbeamtinnen, Lehrerinnen
und Polizistinnen. Erlaubt ist es hingegen in den folgenden
Bundesländern, weil ein gesetzliches Kopftuchverbot bislang nicht diskutiert
wurde: Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Thüringen und
Sachsen.
In Brandenburg, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein wurde
ein gesetzliches Kopftuchverbot diskutiert, jedoch vom Parlament
abgelehnt, so dass auch in diesen Bundesländern keine Verbotsregelungen
existieren. Folglich können Musliminnen mit einem Kopftuch in allen anderen
Berufen mit einem Kopftuch arbeiten.
Die Schule kann z.B. Schülerinnen das Tragen eines
Kopftuches nicht verbieten. Das Neutralitätsgesetz betrifft lediglich diejenigen,
die im Öffentlichen Dienst als Lehrkräfte arbeiten sowie andere
Beschäftigte mit pädagogischem Auftrag, darüber hinaus betrifft es Beschäftigte
im Bereich der Rechtspflege, des Justizvollzugs und der Polizei. Schüler
sind von dieser
Regelung nicht betroffen.
Diskriminierung auf dem Arbeitsplatz
Was ist, wenn ein Arbeitnehmer von seinen Kollegen
diskriminiert wird?
Ein Arbeitnehmer hat das Recht, sich bei einer Diskriminierung auf der Arbeit beim Arbeitgeber zu beschweren. Der Arbeitgeber ist dann verpflichtet, geeignete Maßnahmen wie z.B. Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu treffen. Arbeitnehmer können einen Anspruch auf Schadenersatz und Entschädigungszahlungen haben.
Wie sieht es aus, wenn der Arbeitgeber seine Arbeitnehmerin
diskriminiert?
Eine Kopftuch tragende Verkäuferin kann z.B. im
Einzelhandel arbeiten und muss weder ihr Kopftuch ausziehen noch mit
Konsequenzen von Seiten des Arbeitgebers rechnen. Hält der Arbeitgeber sich
nicht an die gesetzlichen Vorgaben und fordert die Arbeitnehmerin auf,
das Kopftuch abzulegen, kann Beschwerde oder eine Klage gegen den
Arbeitgeber eingereicht werden.
Was können Betroffene tun?
Trotz der gesetzlichen Verbote findet tagtäglich
Diskriminierung in verschiedenen Lebensbereichen statt. Es ist daher wichtig,
Diskriminierung zu melden, einerseits um zu zeigen, dass Diskriminierung
existiert und andererseits, um zu zeigen, in welchen Bereichen und aus
welchen Gründen Benachteiligung geschieht. Diese Informationen sind eine
Voraussetzung dafür, dass Antidiskriminierungsstellen erfolgreich gegen
Diskriminierung vorgehen, indem sie politische und gesellschaftliche
Veränderungen einfordern und bestenfalls durchsetzen.
Du kannst Diskriminierung melden und sogar dagegen klagen.
Beratungsstellen bieten kostenlose, rechtliche Beratung für
Betroffene von Diskriminierung an. Sie unterstützen Dich dabei, gegen
Ungleichbehandlung vorzugehen. Betroffene können sich sowohl an nichtstaatliche
Stellen wie z.B. das Netzwerk gegen Diskriminierung von Muslimen in
Berlin wenden, als auch an staatliche Stellen wie die
Antidiskriminierungsstelle des Bundes.
Amine Taşdan ist Erziehungswissenschaftlerin (M.A.) und freiberufliche Grafikdesignerin, sie war Mitarbeiterin beim Projekt Netzwerk gegen Diskriminierung von Muslimen.